Samuel Eugster: DER GROSSE ZEIGER
zur Vernissage „Lokalkunst 6“ am 9. Mai 2009 im Foyer des Gemeindesaals Rodersdorf
vorgetragen von Beatriz Jenny-Stahel
Im Jahr 1986 machte Samuel Eugster einen „grossen Zeiger“ und entdeckte das Schweben. Einfach abstossen und weg – nun, das hat er zwar schon immer so gehalten. Aber 86 hat er sich erstmals anlässlich einer Vernissage als Schwebekünstler geoutet. Es war die Ausstellung, an der er zum ersten Mal den grossen und den kleinen Zeiger und andere leicht aus dem Gleichgewicht zu bringende Objekte zeigte. Dazu hatte er den folgenden (im April 2009 leicht abgeänderten) Text geschrieben:
... ein Anfang waren die Himmels- und Wolken-Bilder. Ich lobte der Himmelinsberg im Appenzellerland mit den wunderbarsten Lichbildern und meine Musik-Kollegen vom „Appenzeller Space-Schöttl“ begleiteten mich auf dem Hackbrett und der Bassgeige. Als ich erst mal so frei im Luftraum – im Weltraum – schwebte (Stanislaw Lem war auch dabei), kamen mir die Dinge mehr und mehr durcheinander: Was ist oben, was unten – was links und was rechts, hinten und vorn? Welche nennt man die Cumuluswolken und wo treibt sich die berüchtigte Chemiewolke herum – und überhaupt: Wo ist der Kühlturm?
Ich schwebe – im Himmelslaboratorium. Es ist schon ein Genuss, wenn man sich einmal daheim fühlt in den Wolken, den Geigerzähler und ein Rettungsboot dabei hat – und plötzlich altbekannte Gesichter entdeckt: Thor! Erzengel Michael! Apoll! Superman! Freya! – und dann im Wolkenloch den grossen Zeiger.
Der grosse Zeiger: Fünf Minuten vor oder nach zwölf? Ist da noch eine Chance oder nicht? Alles unklar. Wer kennt denn schon die Langzeitwirkungen? Die Langzeitwirkung der rotgeränderten Wolken, die Langzeitwirkung des Langstreckenflugs in die Sommerferien oder die Langzeitwirkung des Langstreckenlaufs?! Klar ist nur die Langzeitwirkung einer Van Gogh-Ausstellung: Null.
Der grosse Zeiger: Was soll er denn anzeigen? Keine Skala, keine Zeit vorhanden, aber er dreht: Er ist wichtiger als Uhr.
Doch der Apparat, die grosse Maschine, hatte am 1.November 1986 eine neue Zeitmarke gesetzt. Immer sind es die Katastrophen heute, die Zäsuren setzen: der erste, der zweite Weltkrieg – Tschernobyl – „Schweizerhalle“ am 1.November 1986 – „9/11“ (nine eleven). Und danach soll man sich orientieren? Danach soll man die Uhr einstellen? Früher, da wurden doch die Zeit- und Wendepunkte nach der Geburt von Göttern und Propheten festgelegt. Fällt uns heute nur noch Katastrophenzeit vom Himmel? Kein einziger Göttersohn mehr? Keine grosse Idee mehr?
Der Punkt um den sich alles drehen soll - was ist das nun? Geld? Liebe? Gott und die Welt? Ist’s der Mensch? Die Natur? eine grosse Idee?
Der grosse Zeiger dreht – keine Skala (oder eine ganze Menge und er kümmert sich um keine) – er dreht um den Drehpunkt, um den Schwerpunkt, den habe ich festgelegt, experimentell.
Schön zu sehen, wie er sich bewegt oder auch stillsteht, ganz allein, selbständig. Die grosse Idee, in deren Dienst er stand, hat er vergessen und der Apparat, die grosse Maschine für die er die Zeit gemessen, ist ihm egal.
Er zeigt auf alles und nichts: „Schaut, wie schön“, sagt er, „schaut!“
Dass er heute zu diesem Schluss kommen konnte, sagt Samuel Eugster, verdanke er dem winzigen Zeigefinger seiner Enkelin Rea. Haben sie auch schon bemerkt, wie kleine Kinder bedeutungsvoll mit ihrem Fingerchen auf alles zeigen, was ihnen gerade vor die Augen kommt? In unseren Augen sind’s die gewöhnlichsten Dinge. In ihren Augen sind’s die neuesten Neuigkeiten und damit das Wichtigste der Welt.
Zum Künstler: www.samuel_eugster.ch
Nähere Angaben zu den Werken:
Samuel Eugster
DER GROSSE ZEIGER
Sperrholz, Acryl – 1986
Preis CHF 2'400
setzen sie sich direkt mit S.Eugster, t:061 731 29 40 in Verbindung
Samuel Eugster
SCHLÜSSEL ZUM ALL
Beitrag zu einer anarchischen Kosmologie
Installation mit Objekten aus den 1980er Jahren
Preise der einzelnen Objekten zwischen CHF 1’600 und 200
Preis der ganzen Installation CHF 2’400
setzen sie sich direkt mit S.Eugster, t:061 731 29 40 in Verbindung